Juli 2020 – Wie geht man das Megaprojekt S/4HANA an? Welche wichtigen Faktoren werden leicht vernachlässigt? Und was kann man tun, um das Projekt sowohl strukturiert als auch effizient umzusetzen? Unsere Artikelserie CH/4NGE widmet sich dem Thema SAP Conversion auf die neue Business Suite. Entlang der 6 Phasen des SAP ACTIVATE Frameworks erläutern wir typische Herausforderungen, wichtige Zusammenhänge zwischen Technologie und Mensch und Gestaltungspielräume, die sich im jeweiligen Projektfortschritt nutzen lassen.
Nachdem wir im letzten Artikel die Discover Phase – und damit Themen wie Strategie, Sponsor Alignment und prozessbasierte Ist-Analysen – diskutiert haben, gehen wir im Folgenden auf relevante Aspekte aus Change-Perspektive im Rahmen der Prepare Phase ein.
Was passiert in der Prepare Phase?
Wie auch in der Discover Phase, stellt sich hier zuerst die Frage: Was wird in der Prepare Phase überhaupt gemacht? Im Gegensatz zur Discover Phase, wo der Schwerpunkt stark auf entscheidungsrelevanten Themen, wie dem Business Case, der Digitalstrategie und Implementierungsansätzen liegt, widmet sich die Prepare Phase – wie der Name verrät – der Projektvorbereitung. Die getroffenen Entscheidungen werden konsolidiert und in Teilen schon umgesetzt. Darunter fällt die Durchführung eines Prototyp-Projekts, um die technisch-funktionale Feasibility zu testen und den relevanten Stakeholdern den „Look & Feel“ der Technologie inkl. neuer Funktionalitäten nahezubringen.
Als erstes Quality Gate ist es nützlich, eine passende Methodik abzustimmen, um das angestrebte Implementierungsszenario zu planen. Ist dieser Grundstein gelegt, wird das Projekt unter eingehender Berücksichtigung der unternehmensspezifischen Gegebenheiten aufgesetzt: Ressourcen werden geplant, das Projektteam aufgestellt, notwendige Lernbedarfe gedeckt und ein klarer Scope der Systemumstellung entsprechend der vorhandenen Business Prozesse formuliert. Im Idealfall wird der „Organizational Change Management“-Stream (OCM) aufgesetzt und eine umfassende Change Architektur sowie die zugehörige Kommunikationsstrategie erarbeitet. „Im Idealfall“, weil diese letzten beiden Aspekte in der Realität oft vernachlässigt und in ihrem erfolgskritischen Stellenwert unterschätzt werden – was das bedeutet, werden wir später im Artikel thematisieren.
Falls noch nicht in der Discovery Phase geschehen, wird das vorhandene SAP ERP System dem SAP S/4HANA Readiness Check unterzogen. Er gibt einen ersten Überblick darüber, was im Rahmen der Business Suite-Umstellung alles zu beachten ist und welche Aspekte der Simplification List von Relevanz sind. Sind diese konzeptionellen Eckpfeiler geklärt, geht man über in die operative Migrationsplanung und damit auf eine technische Ebene. Oft wird ein Migration Planning Workshop genutzt, um diverse Szenarien durch Simulationen durchzuspielen. Nicht genutzte z-Codes werden entfernt und Geschäftsdaten archiviert, um die Conversion so schlank wie möglich zu halten. Empfohlen wird die Installation und Konfiguration des SAP Solution Managers, um den technischen Support durch SAP im weiteren Verlauf der Umstellung sicherzustellen.
Was sind die typischen Herausforderungen in dieser Phase?
Man kann durch diesen kleinen Einblick in die umfangreichen Aktivitäten erahnen, wie komplex die Umstellung auf die neue S/4HANA Suite tatsächlich ist. In alle Richtungen muss geschaut, gedacht und gehandelt werden – gleichzeitig fordert der nachhaltige Implementierungserfolg Empathie und Kommunikation. Aber wie geht man solch ein komplexes Projekt strukturiert an und welche Tipps helfen, um dem Chaos zu trotzen?
Eine erste schwerwiegende Herausforderung stellt das Projekt Setup dar. Oftmals weit unterschätzt erweist sich die S/4HANA Umstellung auch aus Projektmanagement-Perspektive deutlich vielschichtiger und granularer als ursprünglich angenommen. Fehlende Erfahrung in diesem Bereich führt zu einer starken Abhängigkeit von externen Systemintegratoren. Dieser wiederum kennt die Organisation selten gut genug, um den Impact auf diese adäquat einschätzen zu können, sodass wichtige Konsequenzen vergessen und maßgebliche Potenziale nicht ausgeschöpft werden können. Leider zeigt sich die Erkenntnis häufig erst mit Eintritt der Folgen: Verantwortlichkeiten sind unklar, es treten unvorhergesehene Risiken ein oder man merkt, dass versehentlich eine ganze Projektkomponente missachtet wurde. Zeit und Ressourcen, die man sich im Setup erspart hat, müssen nun zusätzlich aufgewandt werden. Das ist nicht nur ärgerlich, sondern kann einen nachhaltig negativen Einfluss auf den Implementierungserfolg haben.
Ein sorgfältig durchdachtes Projekt Setup mit einer Vielzahl an funktionalen und regionalen Teilprojekten stellt daher einen unweigerlichen Erfolgsfaktor im S/4HANA Kontext dar. Dabei ist besonders auf eine enge Abstimmung zwischen Business und IT zu achten, welche das Projekt im Verlauf gemeinsam vorantreiben müssen. Im Rahmen eines gründlichen Scope Managements im Bereich S/4HANA liegt außerdem ein wichtiger Fokus auf dem Zielbild der Prozesslandschaft mit der Überprüfung, welche der SAP Best Practice Prozesse mit möglichst wenig Aufwand umgesetzt werden können. Warum ist dieser Fokus so wichtig? Das Zielbild stellt die technische Basis für umfangreiche Impact-Analysen dar und dabei gilt: Nur wer seinen Scope kennt, kann auch die Auswirkungen abschätzen. So ist abseits des technischen Impacts unbedingt auch auf Auswirkungen auf Organisationsprozesse und damit auf die Rollen und Skills der Mitarbeiter zu achten. In einer strukturierten S/4HANA Umstellung kann gegebenenfalls frühzeitig damit begonnen werden, neue Rollenprofile zu erstellen oder vorhandene weiterzuentwickeln.
Auch ein umfassendes Change Management wird oft vernachlässigt. „Eine S/4HANA Conversion ist doch eine technische Umstellung – wofür also Change Management?“ Diese Ansicht stellt die Macht des menschlichen Verhaltens in den Hintergrund und begünstigt dadurch nachweislich die Entstehung eines Value Gaps zwischen technischer Installation und nachhaltiger Implementierung, wie im letzten Artikel dargestellt (Link Artikel Discover Phase). Was also tun, um dies zu vermeiden und tatsächlich zum kalkulierten Best Case zu gelangen?
Die Prepare Phase ist für die Erstellung und Koordination einer ganzheitlichen Change Architektur im Kontext der S/4HANA Conversion von enormer Bedeutung. Wichtige Bestandteile wie bspw. Change Communication, Training & Enabling, Engagement, Change Leadership und Change Controlling werden hier initial geplant und aufeinander abgestimmt. Zusammengesetzt ergibt sich ein systematischer Überblick über die differenzierte Begleitung aller relevanten Stakeholdergruppen im Rahmen der Umstellung. Doch Achtung! Change Management ist systematisch, aber nicht immer kalkulierbar. Um bedarfsorientiert und zielgruppengerecht handeln zu können, müssen die abgeleiteten Change Maßnahmen daher fortlaufend reviewed und, wenn nötig, angepasst werden.
Typisch für die Prepare Phase fallen aus Change Perspektive beispielhaft die folgenden Aktivitäten an:
- Planung effektiver Involvement-Maßnahmen für das Projektteam, um das notwendige Commitment-Level zu erreichen (bspw. durch Mitarbeiter-Veranstaltungen)
- Initiale Kommunikation des Vorhabens mithilfe der Change Story in der gesamten Organisation zur Steigerung der Akzeptanz
- Befähigung der Sponsoren im Bereich Change Leadership („Wie führe ich Mitarbeiter durch große Veränderungen?“)
- Identifikation möglicher „Vorbelastungen“ durch frühere misslungene Change-Projekte (Bsp. negatives Image bei Mitarbeitern „Das klappt doch bestimmt sowieso wieder nicht!“)
- Analyse der Resultate des S/4HANA Readiness Assessments, um damit die tatsächlichen Auswirkungen auf End User-Ebene zu identifizieren (bspw. mit CPC.fit).
Die Meilensteine und Aktivitäten im Rahmen des professionellen Change Managements schwanken je nach Organisation stark in Umfang und Form. So individuell wie das Unternehmen ist, gestalten sich auch die Lösungen, die es braucht, um das Management vor Produktivitätseinbußen und Mitarbeiter vor Frustration zu schützen. Ein professionell koordiniertes Change Management ist demnach erfolgskritisch, um alle Mitwirkenden adäquat einzubinden. Eine dedizierte Transformation bzw. Change Management Office (CMO) kann diesen Bereich sehr gut abdecken und stellt daher ein wichtiges Steuerungselement für das Megaprojekt dar.
Key Take-Aways
Wie wir sehen, werden auch in der Prepare Phase wichtige Grundsteine für den Projekterfolg der S/4HANA Umstellung gelegt. „In a nutshell“ haben wir unsere wichtigsten Tipps für die Phase zusammengefasst:
- Die S/4HANA Conversion ist vielschichtiger als Sie denken. Berücksichtigen Sie das im Projektsetup durch regionale und funktionale Teilprojekte!
- Sie kennen Ihre Organisation am besten. Arbeiten Sie mit dem Systemintegrator zusammen, anstatt sich abhängig von seinem Know-How zu machen!
- Technisch-prozessuale Umstellungen bedeuten immer auch Veränderungen für den Menschen. Analysieren Sie den Impact für den End User!
- Eine systematische Change Architektur lohnt sich. Lassen Sie niemanden zurück!
- Ein dediziertes CMO fungiert als wichtiges Steuerungselement. Stellen Sie ein qualifiziertes Team als zentralen Ansprechpartner für den Change und die Implementierung zusammen!
Zum Abschluss
Alle Artikel der fünfteiligen CH/4NGE-Serie finden Sie im News-Bereich unserer Homepage.
Sie wünschen sich darüber hinaus wertvolle Einblicke in die verschieden Phasen und Handlungsfelder der S/4HANA Transformation?
Das CH/4NGE Vorgehen für S/4HANA Projekte haben wir gemeinsam mit unserem Partner Dialogbild im Detail visualisiert. Haben Sie Interesse? Gerne schicken wir Ihnen das Dialogbild als Poster im Format 120 cm x 60 cm oder als hochauflösendes PDF kostenfrei zu.
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